Weihnachten – Fest der Liebe mit Macht und Druck

Kerze

Weihnachten das Fest der Freude und Familie? Nein, Weihnachten ist für mich traditionell das Fest der elterlichen Macht, des ökonomischen Drucks derer in der Familie, die die Mittel haben auf die anderen, jüngeren und Leuchtturm der schwarzen Pädagogik. Meine Gedanken zum Advent:

Morgen Kinder, wird’s also was geben. Morgen. Nicht heute! Nie heute! „Das kannst du dir zu Weihnachten wünschen!“ „Vielleicht bringt das ja der Weihnachtsmann!“ Spätestens ab dem Spätsommer wird Wünschen von Kindern damit gekontert. Denn Weihnachten ist für Kinder traditionell das Fest des Hingehalten-werdens, des im Advent auf die Foltergespannt-seins, des bedingungsvollen Ausharrens getarnt als sogenannte Vorfreude.

Im Sommer hat K Fahrradfahren gelernt, auf dem Rad eines Nachbarkindes, dieses wollte sein Rad dann wieder zurück. Dem Nachbarskind ist sein Rad zwar schon zu klein, wir könnten das auch haben, aber erst nach Weihnachten, denn da gibt’s eventuell ein neues fürs Nachbarskind. So lange wollte ich nicht warten, denn K hat ja heute Spaß am Radfahren. Deswegen hab ich am nächsten Tag einfach ein Second-Hand-Kinderrad für 50 Euro gekauft. Es steht mittlerweile im Schuppen rum und wird wenig gefahren. Hätte K erst zu Weihnachten ein Rad bekommen, hätten wir diesen Zustand noch ein halbes Jahr nach hinten verschieben können. Und so lange hätte ich ein super Druckmittel gehabt.

„Das kannst du dir zu Weihnachten wünschen!“ Was heisst das denn? Was steckt denn da eigentlich dahinter, wenn wir uns hinter diesem ursprünglich christlichen Fest, mit dem die meisten von uns doch eigentlich garnüscht zu tun haben verstecken? Heißt das: Ich kann es mir grad nicht leisten Geld auszugeben? Oder: Ich trau mich übers Jahr nicht so viel Geld auszugeben? Ich hab Angst dich zu verwöhnen und was das mit dir macht, wenn ich dir deine Wünsche immer sofort erfülle? Oder: Ich hab einfach noch nie drüber nachgedacht, wie ich mit deinen Wünschen, Bedürfnissen und Geschenken so umgehen will, deswegen bin ich dankbar für Traditionen? Geschenke gibt’s demnach zu Weihnachten und zum Geburtstag. Fertig.

In meiner Kindheit zielte irgendwie das ganze Jahr auf Weihnachten ab. Nach dem Fest ist vor dem Fest, der Kerzenduft liegt noch in den Räumen und das neue Fahrrad steht auch noch mit Schleife um den Lenker im Wohnzimmer, denn draußen liegt Schnee und klirrt der triste kalte Januar und läutet sie ein diese lange, lange Durststrecke bis zum nächsten Weihnachten, zu den nächsten größeren Geschenken, zu der nächsten Heimlichkeit und Wohligkeit und Wärme und Kerzen-Glanzwelt und süßen Backphase. Aber dazwischen ist eben erstmal normales Jahr, in dem sich Weihnachten immer mal andeutet als Mischung zwischen Verheißung und Bedrohung. Auf Weihnachten zu, im Oktober, November zieht sich das Drohgebilde wie ein Netz immer dichter zusammen: „Dann brauchste gar nicht erst einen Wunschzettel zu schreiben!“, „na dann wird der Weihnachtsmann wohl seine Rute brauchen!“ und zwar: “wenn du so und so bist“. Apropos Rute – haben die heutige Weihnachtsmänner eigentlich immer noch dabei?

Ich finde am Erwachsensein gut, dass ich mir was schenken kann, wann immer ich will. Neue Inlineskates, fahr ich gleichmal in den Laden. Auto kaputt, ok, wie viel hab ich auf dem Sparbuch. Neulich hab ich beim Sport doch so geschwitzt – atmungsaktive Sportklamotte, kauf ich gleich online. Ich kauf deswegen noch lange nicht sobald das Kind einmal sagt „Ich möchte auch mal so ein ferngesteuerte Auto wie Sophie haben“ so ein ferngesteuertes Auto, aber ich pack auch nicht die Weihnachtsmachtkeule aus. Ich kenns nicht anders, aber wann ist das passiert, das dieses Fest nicht mehr einfach ne Feier war, meinetwegen zu Ehren des Herrn und seiner Geburt, sondern wann wurde diese bedingungsvolle Geschenke-Sache daraus. Machtspiel zwischen Erwachsenen und Kindern, mit deutlichen Siegern.

Und dann nämlich plötzlich doch: nachdem 24 Tage lang jeden Tag ein Schokohäppchen sogenannte Vorfreude befeuert hat, entlädt sich am 24. abends die ganze darbende Anspannung der letzten 364 Tage auf einen gigantischen Geschenkeberg, beleuchtet vom Kerzenmeer. Fahrrad, ferngesteuertes Auto, rosa Märchenschloss – alles dabei. Ein Tag Überfluss und Sattheit versus ein Jahr machtvolle Verknappung und Mangel. Was steckt denn da dahinter? Ich weiß es ehrlich nicht. Aber es nervt mich sehr.

 

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