(Leseempfehlung: Erst den Text, dann die Bildunterschriften? Warnung: Anstrengende Text-Bild-Schere!)
Ich hab an diesem Wochenende mal Fotos gemacht, es war ein Wochenende ohne Kind. An Wochenenden mit Kind würd ich es nicht schaffen ambientebetonte Fotos zu knipsen. Es wird aber auch deutlich, dass ich (ob mit oder ohne Kind) eher nicht die Type für wohlfühl-atmosphärische Genussfotografie bin. Auf diesem Bild ist zu sehen, wies aussieht, wenn ich Kaffee trinke.
Es gibt doch diese Blogparade bei Elternblogs, in der Fotos vom Wochenende mit Kindern/ in Familie beschriftet und gepostet werden. Ich like viele Mütter/Eltern-Blogs und bekomme die Nabelschau deren Wochenenden regelmäßig in die Timeline gespült. Ich hab das jetzt vom vergangenen Wochenende auch mal gemacht.
Auf diesem Foto lauf ich schnell die Treppe runter, ich bin nicht erkennbar, das macht man bei Blogfotos so, da wird viel scheinbar im Dunkeln gelassen, aber auch genug angedeutet. Ich z.B. lasse auf diesem Bild durchblicken, dass ich mich gern dunkel kleide und in einem Berliner Altbau lebe.
Verschiedene Elternblogs machen das, also die Mütter dort. Sie fotografieren übers Wochenende den Alltag ab, um dann meist schon am Sonntagnachmittag in ihren Blogs zu berichten, was so los war.
Auf manchen Fotos wird auch was verkauft oder verlost, meist irgendein kindbezogenes Produkt. Auf diesem Foto dokumentiere ich mein Teilnehmen am sexpositiven Workshop des Netzwerks Freudenfluss auf dem Barcamp Frauen und möchte hiermit deren Internetseite promoten.
Ich verstehe den Wunsch und die Idee hinter dem „Wochenende in Bildern“ sich (unter Blogger_innen oder mit den Leser_innen) unkompliziert (wirklich? ich habe einen Tag für diesen Artikel hier gebraucht!), über eben kurze Bildbeschreibungen verbinden zu wollen und auf einen Stand der Dinge zu bringen.
Die machen eine ganz großartige sexuelle Aufklärungsarbeit jenseits von Fortpflanzung hin zu Lust. Wisst ihr alles über eure Prostata?
Was ich nicht verstehe: Muss das alles so scheiß bürgerlich sein?
Ein weiterer Workshop beim Barcamp Frauen, in dem Verena Reygers mit der These angetreten ist, dass Frauen in der romantischen Zweier-Beziehung immer draufzahlen. #Pärchenlüge #Barfrau
Habt ihr mal drüber nachgedacht, zu was für einem normativen Standard/Maßstab ihr eure Lebensentwürfe da allwochenendlich erhebt mit euren 4-5 köpfigen Familien, bei denen es jeden Wochenendmorgen selbstgemachte Pancakes, 5 verschiedene frisch-aufgeschnittene Obstsorten, Servietten mit saisonalen Motiven, Milchschaum mit Herzen, Kerzen farblich auf die Kalenderwoche abgestimmt, verpflichtend selbst gebackenen Zimtschnecken am Nachmittag, in Pfützen tollenden Kinder mit 100-Euro teuren Matschanzügen, scheinbar-immer-glücklichen-mit-Fingerfarben-bemalte-Schwangeren-Bäuchen, Treffen mit anderen Mutti-Vati-2-3Kindern-„vollständigen*“-Familien, bei denen sich die Väter ihren Steinzeitrollen entsprechend zwischendrin mal absetzen ein Bier zischen und als die Versorger mit Pizza zurückkommen?!
Verena @textartistin kommt zu diesem Schluss. Ich würde das noch ergänzen mit „…more whatever you want…“
Ich finde das für mich schwer erträglich. Meine Wochenenden sehen meistens ganz anders aus.
Hier wurden Menschen bezahlt für die Zeit und Mühe, die sie aufgebracht haben dieses Essen zu kochen und hübsch anzurichten. Zum Glück musste ich das nicht machen, so hab ich die Muße das Trilliardenste Essensfoto des Internets zu knipsen.
Fotos zu machen schaffe ich nicht an einem Wochenende mit Kind, an dem ich ohne Kinderbetreuung 12 Wachstunden 1 zu 1 mit Kind rum bringen muss.
So ein Foto darf nicht fehlen, ich treffe auf dem Barcamp meine Freundin und #barfrau Mareice, die ja auch bloggt, was ich hier natürlich verlinke, ihr Kind ist dabei, wir machen es durch ein fröhliches kindbezogenes Utensil unkenntlich, Mareice hat frischlackierte Fingernägel, die wollen wir natürlich im Bild haben, denn das macht uns doch aus, das wir auf uns achten, wir BerlinKreuzbergMoms! Bei dem Armreifen wärs jetzt noch gut, er wär von Schnullipups, dann könnte ich das verlinken, auch oder gerade wenn er 999Euro kostet.
Ein Wochenende mit Kind, das bedeutet für mich zunächst mal Orga.
Schaum aufm Kaffee. Das muss ich dringend fotografieren. Vielleicht ist aber auch hier kurz die Gelegenheit die Bild-Text-Schere auf die Spitze zu treiben und ganz kurz den Workshop zu Antisemitismus im Feminismus von @grrrlsarestrong zu erwähnen, in dem es wie immer bei dem A-Thema hoch her ging und der eigentlich vor allem ganz gut gezeigt hat, dass Antisemitismus im Feminismus easypeasy genauso tief verinnerlicht sein kann, wie überall sonst eben auch.
Scheisse! Wochenende! Noch nix vor, dringend rumfragen wer mit Kind sich verabreden will, damit das Kind und ich nicht auf uns allein gestellt sind und schon am Samstag um 11 die Nerven völlig blank liegen.
Auch hier wurden Menschen bezahlt für die Zeit und Mühe, die sie aufgebracht haben diese hübschen süßen Dinger herzustellen. Zum Glück musste ich das nicht machen, so hab ich die Muße das Trilliardenste Küchlein-Foto des Internets zu knipsen.
Ja, auch wir frühstücken irgendwas, aber wenn ich zum Beispiel Eierkuchen machen würde und danach ein Foto, gäbe es da eben keinen makellos gedeckt und dekorierten Tisch zu fotografieren, sondern ein klebriges Chaos von benutztem Geschirr und anstatt das zu fotografieren, räum ich das angespannt auf.
Hm Mist, wo sind denn eigentlich die ganzen Superpapas und Versorger, die immer Abendessen machen.
Angespannt, weil ich jetzt eigentlich gern mal was für mich tun würde, zum Beispiel Zähne putzen oder mich anziehen, aber im Hintergrund höre ich schon wie das Kind irgendwo in der Wohnung eine neue Baustelle eröffnet, die ich dann auch wieder aufräumen werde…
Wow Drinks! Los wir machen ein Foto! Währenddessen reden wir über die Erzieherinnenausbildung in Sachsen, die meine Freundinnen (nach ihren Kulturwissenschafts-Ethnologie-Studienabschlüssen) machen, für die sie 120Euro im Monat zahlen müssen, um dann von noch 280 Euro leben zu müssen, bei einer 40-Stunden-Woche im Kindergarten-Praktikum und mit Nazifrauen in der Schulklasse, die alle mal Erzieherinnen werden. In Sachsen. Is so.
Also ja, bei diesem Text hier spielt auch eine gewisse Bewunderung rein: Wie macht ihr das bloß? Wie kriegt ihr das hin dieses Brigitte-Lifestyle-Leben?
Diese Flaschen haben rein garnix mit mir zu tun. Ich hab sie auf dem Heimweg fotografiert, um sie in diesen Text zu packen. Sie sind irgendwie symbolisch für mich für den Druck, den mir die geleckten „Wochenende in Bildern“-Serien machen. Aber ich kann auch ein bisschen von diesen Flaschen lernen. Genauso froh wie ich bin, dass ich all diese Biere auf der Straße nicht getrunken habe und genauso wie ich weiß dass ich dabei auch rein garnix verpasst habe… so gern würd ich die Gedanken ziehen lassen, die mir bei den WochenendenInBildern ins Hirn pupsen: „Ich müsste mein Kind auch stylischer kleiden, mehr Obst aufschneiden, öfter mal backen, ein zweites Kind bekommen, eine glückliche Beziehung führen, Milch aufschäumen, vierköpfige Heterofamilien kennen, ein drittes Kind bekommen….“ Let.it.go.
Aber mein nächster Gedanke ist dann eben, warum reflektiert ihr das nirgends?
Hier liege ich ewig im Bett, während niemand das Frühstück macht. Weil die Besücher genauso lange im Bett liegen. Hatte ich erwähnt, dass ich mich getrennt habe? Also nicht dass vorher jemand Frühstück gemacht hätte… Aber hier schien mir ein guter Moment für diese Info zu sein.
Irgendwas muss bei der ganzen HingabeTM doch auch auf der Strecke bleiben? Ihr selbst vielleicht?
Hier haben wir versucht in die Thematik Ambiente einzutauchen..hm naja
Also bei meinen Eltern gabs auch immer ein weißes Tischtuch, Servietten, Blumen ecetera.
Hier setze ich fürs Foto meinen Fuß auf meine Yogamatte. Bei den Betrachter_innen löst das jetzt hoffentlich aus, dass sie auch mal wieder mehr Sport machen müssten. Aber das ist mir natürlich nicht bewusst, ich erzähl ja einfach ganz wertfrei und neutral davon wie ICH so lebe…
Die Laune meiner Mutter war aber spätestens, nachdem sie sich an den Tisch gesetzt hatte und doch noch was fehlte oder beim Abräumen danach im Keller, die Luft raus.
Ich hab mir nach dem sexpositiven Workshop bei @laurameritt diese Broschüre gekauft, ich möchte eigentlich viel mehr über Sex reden/schreiben können und hab dennoch überlegt, ob ich dieses Foto in den Artikel packe. Ich machs jetzt, weil das drüber Nachdenken, es nicht zu tun schön meine Verantwortung als eine, die bloggt, und die das private als politisch empfindet, illustriert. Ich entscheide, worüber ich schreibe und ich kann auch entscheiden etwas nicht zu schreiben, weil es privat, persönlich, intim oder sonstwie marginalisierbar wäre. Aber wenn ich mich entscheide, etwas zu schreiben und etwas anderes nicht, halte ich es für dringend nötig darüber zu reflektieren, was für ein Bild ich zeichne. Also wenn ich nur heile-Welt-Family-Bilder poste…naja usw.
Die Energie zum Genießen von alldem Geleisteten, Dekorierten, Aufgebrachtem fehlte nach der ganzen aufopferungsvollen Care-Familien-Arbeit.
Juchhu Freundinnen ziehen zurück nach Berlin! Das lass ich jetzt mal einfach so stehen ohne rumzuätzen:-)
Nun denn, an einem Wochenende mit Kind schaff ich keine Bilder an einem ohne hab ich jetzt mal ganz viele gemacht. Ich sehe, dass ich hier auch ganz ordentlich einen Standard festlege, nämlich irre viel an einem Wochenende machen zu müssen.
schnarch, jetzt hab ich aber auch langsam keinen Bock mehr auf die Fotografiererei…
Ist eher nicht so ein exemplarisches Wochenende gewesen. Aber so ein Wochenende gibts ja auch mal und vielleicht geht es den anderen Elternblogs auch so, an depressiven beschissenen Kack-Standard- oder Nichts-tu-rumlieg-Wochenenden fotografiert es sich halt nicht so schön.
Am Ende noch eine Konzertkritik, das mach ich ja als Lohnarbeit. Ziemlich privilegiert! Und richtig gern mach ichs auch!
Aber das ist ja auch mein Punkt: Sagt das doch auch mal irgendwo!!!