Der Genderwahn der bösen Wölfin

Spielplatz neu

Mich hat der GenderwahnTM voll gepackt. Es macht mich wahnsinnig, dass es immer, um Sprecher, Studenten, Journalisten, Radfahrer, Radiohörer geht…. und ich dabei immer mit gemeint sein soll. In meinem GenderwahnTM fühle ich mich nämlich ausgeschlossen. Denn ich bin nunmal eine Sprecher-in, Studierende, Journalist-in, Radfahrer-in und Radiohörer-in! Soweit, so genervt.

Richtig mühsam finde ich, dass die, die mit diesen Bezeichnungen immer zuerst gemeint sind, nämlich Sprecher, Studenten, Journalisten, Radfahrer, Radiohörer,… so tun, als wäre das alles nicht so schlimm, nicht der Rede wert. Es wird behauptet, es habe keinen Einfluss auf Menschen, dass das generische Maskulinum die Grundlage der Gesellschaft ist. Ich nun, bin so von diesem GenderwahnTM befallen, dass ich sage, doch es macht was mit Menschen und ich lade hiermit ein auf eine Reise in die Welt der Kinderbücher für Unter-Dreijährige.

Von diesen Büchern, muss ich nämlich cirka 20 durchblättern, bevor ich eins finde, in dem eine Person oder Figur mit dem Pronomen sie die Hauptrolle spielt. In allen anderen, völlig unkommentiert und scheinbar unbemerkt von Lesenden, Verlagen, (aber eben nicht spurlos vorbeigehend an) Kindern spielen Jungs, Männer, männliche Tiere also Personen und Figuren mit dem Pronomen er die Hauptrolle.

Aber was ist mit Pipi Langstrumpf, der kleinen Hexe, Ronja Räubertochter, Bibi Blocksberg?!?! …hör ichs da gleich empört ausrufen. Das sind doch alles starke Mädchen! Nun denn, zu denen gäbe und gibt es einiges und zu unterschiedlichen Aspekten zu sagen und wurde ja auch schon gesagt/ geschrieben:

Dem hinzufügen hätte ich noch: Alle genannten weiblichen Charaktere sind immer krasse Held*innen, sie können hexen, zaubern, sind besonders stark und übermächtig, das ist wunderbar und ich lese die gern. Sie sind wohltuende Heldinnen auf Augenhöhe der Kollegen Bat- und Spiderman. Aber was ist mit einer Welt jenseits von Superheld*innen. Also unserer hiesigen, ganz alltäglichen? Mit ganz lebensnahen Protagonist*innen in einfachen Geschichten für unter Dreijährige (die Altersgruppe, mit der ich mich bisher beschäftigt hab). Auch andere Blogger*innen haben sich schon mit fehlender Diversität in Kinderbüchern auseinandergesetzt und positive Beispiele rausgesucht oder sogar dazu aufgerufen, welche zu schreiben. Aber bis es diese neuen Bücher gibt mit Figuren, die nicht nur zu einer Kategorie gehören – weißer (mutiger, starker, intelligenter) Junge – heißt es für mich kreativ bleiben. Mir ist bewusst, das die von mir gewählte Konfiguration in weißes, mutiges, starkes, intelligentes Mädchen nicht die Welt rettet. Und noch lange nichts mit der Vielfalt zu tun hat, die es in der Welt gibt und die in Medien einfach nicht stattfindet. Dennoch: Ich konfiguriere Bücher. Aus Tino wird Tina, aus Berti Bär – Berta. Am Anfang habe ich einfach beim Lesen immer weibliche statt männlicher Namen eingesetzt oder den Papa, statt der Mama das Essen kochen lassen und die Mama dafür ins Büro gehen etc.. Aber mit der Zeit wurde das anstrengend, ich vergaß die Namen oder verhaspelte mich, wenn ich abends schon müde war beim Vorlesen. Dann hab ich angefangen zu basteln.

In unseren Büchern sind die Figuren einige Klebezettelchen und Umbeschriftungen später, Lebewesen_Menschen_Tiere, mit dem Pronomen sie. Sie erlebt die Abenteuer,  eine sie spielt die Hauptrolle, sie ist die Aktive. Dabei wird sie von anderen Figuren mit dem Pronomen sie oder er unterstützt werden, lieb gehabt, für ihren Mut bewundert usw..

Neulich hab ich K gebeten, die Geschichte von den drei kleinen Schweinchen selber „vorzulesen“, ich hab immer Stichwortfragen gestellt. Unser Gespräch verlief so:

ich: „Und aus was baut sich Zilly ein Haus?“

K: „Die baut sich ein Haus aus Stroh“

ich: „Und Billy?“

K: „Die baut sich ein Haus aus Holz.“

ich: „Und Willy?“

K: „Die baut ein Haus aus Stein.“

ich: „und was passiert am Ende?“

K: „Wenn die böse Wölfin sterbt (sic!), lachen die Schweine.“

Na und da hör ich doch den Chor der kritischen Miesepetras und -peter: Das ist ja weltfremd! So ist doch die Welt nicht! Sollen in euer Welt denn gar keine Jungs und Männer mehr vorkommen? Draußen hört euer Kind doch dann eh, dass es anders ist!

Öhm. Ja! Ihr habt recht. Stimmt. Das ist ja wirklich weltfremd. Draußen hört sie ja tatsächlich die ganze Zeit, dass es anders ist. So ist die Welt ja wirklich überhaupt nicht. Kein klitzekleines bisschen.

Und genau deswegen gibt’s hier mal was andres zu lesen. Nachdem draußen mit (extrem fragwürdig-) schöner Selbstverständlichkeit der Busfahrer uns zum Arzt fährt, im Kinderladen die Erzieher (drei Frauen und ein Mann) arbeiten, die Lehrer in der Schule unterrichten und die Piloten die Flugzeuge fliegen. In dieser Welt hört dieses Kind an einem einzigen Ort, nämlich auf unserm Sofa Geschichten, in denen die Handelnden das Pronomen sie tragen, das gleiche Pronomen mit dem sie sich selbst im Moment wohl bezeichnen würde. Uns fährt die Busfahrerin zur Ärztin, Erzieherinnen sind im Kinderladen, die Lehrerin in der Schule und Pilotinnen fliegen uns in den Urlaub. Und wozu führt das?

Zum einen fragt K, warum sind da Zettelchen drauf geklebt, „ich will das die ab sind“, sagt sie. Dann kommen wir darüber ins Gespräch, schon als Zweijährige hat sie verstanden, dass mich da was nervt an den Büchern. Ich hab gesagt, mir gefällt nicht, dass in den Geschichten, so wie sie da stehen im Prinzip immer Tahe, Eren, Matthis, Nils und Anselm (Kinder aus ihrem Kinderladen) die Geschichten erleben und nie Thalia, Lotta, Elife, Victoria, Marlena oder eben eine wie sie, K. Deswegen, so erklär ich ihr, veränder ich immer bisschen die Namen und „ob das sie oder er ist“. Das fand K gut und bei jedem neuen Buch, fragt sie jetzt, was da vorher stand und macht selbst Namens-Vorschläge zum Ändern. Und wozu führt das alles nun?

Für K, die jetzt 3 ist, ist die Welt einfach ein bisschen breiter, weiter, größer. Ihre Kategorien von Menschen nicht so eng, ihre (Berufs-) Bezeichnungen schließen nicht immer 50% der Bevölkerung aus, sondern 100% ein. Für K sind es „Feuerwehrleute“, die den Hausbrand in der Warschauer Straße gelöscht haben, es ist die ganze „Polizei“, die im Görlitzer Park „Personen“ kontrolliert, diese Personen sind „Menschen“, die vorm Krieg geflüchtet sind und es sind in jedem Fall „Bauarbeiter*innen“, die da oben in dem Kran sitzen, denn „so genau können wir das von hier unten gar nicht sehen“.

Nee, können wir nicht. Bei uns ist alles möglich.

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