Selbstkritik: Ich, der Unterdrücker

micha

Seit etwas über einem Jahr probieren Suse und ich vollkommen gleichberechtigt ein Kind aufzuziehen. Keiner soll mehr machen als der (oder vielmehr die) andere. Zwei Menschen wollten das Kind, zwei Menschen müssen sich also auch zusammen darum kümmern. Zwei Menschen machen „Karriere“ und die dämliche Reproduktionsarbeit im Haushalt wird egalitär auf zwei Schultern verteilt.

Aber wie siehts in der Realität aus? Jetzt, wo das Kind etwas über ein Jahr alt ist – haben wir es geschafft? Leben wir eine moderne Beziehung auf Augenhöhe? Herrscht absolute Gleichheit zwischen den Geschlechtern?

Leider nein. Wer ist schuld dran? Ich.

Alles begann mit dem Stillen – dem einzigen Dienst am Kind, den ich als Mann nicht erledigen konnte. Diese biologische Tatsache war für mich sehr bequem, denn Suse war es, die nachts stundenlang wach liegen musste. Um diese Anstrengungen zu kompensieren haben wir einen Deal gefunden: sobald das Kind abgestillt war musste ich jede Nacht raus und 2 bis 4 mal die Flasche geben. Das Flaschengeben an sich ging sehr schnell – 5 Minuten und ich war wieder im Bett. Im Vergleich zu Suses Stillen also wirklich weniger anstrengend. Trotzdem habe ich mich immer wieder meines Schlafes beraubt gefühlt, nicht etwa durchs Kinde, sondern von Suse! Ich war nachts sauer auf sie, dass sie mir im Namen der Gerechtigkeit (der ich tagsüber auch zugestimmt hätte) einen erholsamen Schlaf unmöglich macht.

Obwohl ich die Aufteilung für gerecht halte, fühlte es sich an, als würde mir ein Privileg weggenommen werden. Doch woher sollte dieses Privileg überhaupt kommen? Wie komme ich auf den Gedanken, dass ich ein größeres Recht besäße nachts zu schlafen als Suse?

Vermutlich sehe ich meine Situation im Verhältnis zu dem, was für Männer in unserer Gesellschaft möglich wäre. Die allermeisten Kinder werden nachts von ihren Müttern umsorgt, wenn sie wach sind. Genau wie meistens die Mütter zu Hause bleiben, wenn die Kinder krank sind. Auch wenn ich diese Zahlen und die dazugehörigen Studien bis eben nicht kannte, war mir doch klar, dass die Rollenaufteilung da draußen in der Welt genauso läuft. Und das habe ich über fast 30 Jahre gelernt und und verinnerlicht. Im Elternhaus, in der Schule, in den Medien, bei Freunden. Kein Wunder, dass es mir schwer fällt totale Gerechtigkeit mit Suse zu leben, wenn doch offenbar (mit einer anderen Frau?) so viel mehr Freiheit und Freizeit für mich drin wären.

Dieser Gedanke ist natürlich nicht richtig. Ich habe ja erkannt, dass die klassische Rollenaufteilung nicht gerecht ist und möchte es ja auch ändern. Aber wir sind erst am Anfang. Ich erkenne so langsam diese Muster und damit auch den Macho in mir. Das gleiche gilt nämlich leider auch für die Themen „Wäsche des Kindes“, sowie „Nahrungszubereitung“ und „Haushaltsbedarfsgegenstandsbeschaffung“. In diesen Feldern hat Suse glaube ich schon so gut wie resigniert und macht’s „dann halt einfach selbst“. Das ist eigentlich tragisch. Denn damit festigen auch wir trotz des ganzen Anspruchs auch wieder nur die alten Rollenbilder.

Ich will in Zukunft mehr versuchen, mich bei Dingen, auf die ich keine Lust habe, zu fragen, ob ich hier gerade versuche meine Priviligien aufrecht zu erhalten und es gerechter gegenüber Suse wäre, es einfach zu machen. Dieses Ehrlichkeit ist natürlich besonders schwierig wenn sie a) Aufwand verursacht und keinen Spaß macht und b) ich nicht das Gefühl habe, dass irgendein anderer Mann das tun gleiche würde.

Deshalb liebe Väter: Macht doch mit! Damit wir der echten Gleichberechtigung einen Schritt näher kommen!

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