Sie sieht ja garnicht aus wie ein Mädchen!

suse

Nein, sie sieht aus wie ein Baby. Wie sollte sie denn aussehen wie ein Mädchen? Im Gesicht? Von den Klamotten her?

„Sie sieht ja garnicht aus wie ein Mädchen!“ Ist das ein Ausruf des Bedauerns? Oder der Überraschung? Der Freude?

Es könnte eigentlich ne ganz neutrale Feststellung sein: „Ach interessant, sie ist also ein Mädchen, sieht man (in dem Alter) noch garnicht. Naja Babys halt…“ Aber so oft ich diesen Spruch höre: „Sie sieht ja garnicht aus wie ein Mädchen!“, denk ich, da steckt doch was anderes dahinter, die Person würde wohl lieber irgendworan erkennen wollen, dass das hier ein Mädchen ist. ‚Gibt doch so hübsche Sachen dafür, einen Menschen als Mädchen zu verkleiden. Warum ziehen wir ihr denn nix davon an?‘

Dazu einer der ersten Gendermomente 3 Tage nach der Geburt (einer von vielen eigentlich – nach: „Es ist ein Mädchen“, nach dem rosa Namensschild am Babybett, nach „na dann wollen wir sie doch mal wiegen die kleine Prinzessin“). Nach drei Tagen also kommt eine Babyfotografin zu uns ins Krankenhauszimmer. Sie macht Fotos, eins kriegen wir geschenkt, den Rest können wir kaufen, wenn wir wollen. Sie fotografiert drauf los und holt dann irgendwann ein Accessoire raus, einen Blumenkranz aus Stoff und stülpt ihn dem minikleinen schlafenden Säuglingswesen auf den Kopf.

Ich: „Hihihi, Oh Gott, was ist denn das?“

Die Fotografin: „Ein Blumenkranz für die Mädchen.“

Ich: „Und was kriegen die Jungs?“

Die Fotografin: „Die Jungs kriegen nichts.“

Nach nur drei Tagen bekommt also so ein kleines warmes Wesen ein soziales Geschlecht. Dieses kleine zerbrechliche Menschlein, das völlig hilflos in die Welt hinausgekrochen kam und jetzt hier nach wie vor völlig abhängig von Versorgung, Zuwendung etc ist, hat noch keine Eigenschaften und kaum Fähigkeiten, noch nicht mal der Saugreflex funktioniert ausreichend. Aber es wird schon gemäß der seinem Geschlecht zugeschriebenen Stereotype behandelt. Ein Mädchen ist schon ein schmückenswertes Etwas, wohingegen ein Junge ohne Schmuck auskommen muss.

Wenn wir also jetzt nach 7 Monaten immer noch hören: „Sie sieht ja garnicht aus wie ein Mädchen!“,  denk ich: ,super, alles richtig gemacht!‘ Denn die Krankenhaus-Begebenheit zeigts: Geschlecht wird gemacht. Und hat in dieser Form des sozialen Geschlechts nur eine Funktion: Chancen zu geben und Chancen zu nehmen. Diese Art der Geschlechtzugehörigkeit solange wie möglich von meinem Kind fernzuhalten, wollen wir dringend versuchen: Mit einer geschlechtergrechten/ geschlechtsneutralen Erziehung*.

 

 

Schreibe einen Kommentar